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„Ich bin stolz, heute hier zu sein!“

AWO KV Wesel stellt zwei Bücher und Ausstellung „Ich bin auf einem langen Weg“ rund 200 Gästen im Schirrhof vor

Kamp-Lintfort. Authentisch, berührend, beeindruckend. Die Stimmung im großen Saal des Schirrhofs war zu Herzen gehend. Zahlreiche türkische Gastarbeiter*innen der ersten Generation und dazu viele Gäste fanden sich am gestrigen Abend im Gebäude des alten Zechengeländes ein, das mit rund 200 Menschen bis auf den letzten Platz gefüllt war. Darunter auch hoher Besuch: Ehrengäste waren AWO Bundespräsident Michael Groß, Ibrahim Yetim, Präsident des AWO Kreisverbandes Wesel, der SPD-Bundestagsabgeordnete für Moers, Krefeld und Neukirchen-Vluyn, Jan Dieren, und Baris Ucak, Mitglied des Integrationsrates Moers.

Feierlicher Anlass war die Präsentationen von zwei Büchern „Namenloser Freund“ und „Ich bin auf einem langen Weg“ mit der gleichnamigen Ausstellung. Sie erzählen die Lebensgeschichten der ehemaligen Gastarbeiter*innen. Bereits 2021 hat der AWO KV Wesel anlässlich des 60. Jahrestages des Abkommens zur Anwerbung türkischer Arbeitskräfte einen gleichnamigen Film über die erste Generation der sogenannten Gastarbeiter*innen vorgestellt.  Seitdem haben die Mitarbeiter*innen des Kreisverbandes das Thema weiterverfolgt. „Es hat für unsere Region eine große historische und gesellschaftliche Bedeutung. Das Thema liegt uns am Herzen“, so Asiye Koc, Leiterin des Internationalen Zentrums des AWO-Kreisverbandes, die gemeinsam mit Olga Weinknecht, Leitung des Fachbereiches Beratung, Inklusion und Innovation, die Buchpräsentation samt Ausstellung geplant und organisiert hat. Asiye Koc führte die Interviews im vergangenen Frühjahr durch, Andrea Zmrzlak portraitierte die Gesprächspartner*innen: „Es hat mir großen Spaß gemacht. So viele unterschiedliche Menschen kennenzulernen war toll, ebenso wie die gute Zusammenarbeit mit der AWO“, so die Fotografin begeistert.

Während der Veranstaltung gab es viele bewegende, echte Momente.  Emine Karakus hatte den Wunsch sich und ihre Lebensgeschichte kurz vorzustellen. Ganz spontan. „Ich bin am 25. Januar 1970 nach Kamp-Lintfort gekommen. In der Nacht. Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, habe ich sehr viel geweint. Alles war anders, so fremd und schwierig. Aber trotzdem bin ich heute stolz, hier sein zu können. Es würde den Rahmen sprengen, meine komplette Lebensgeschichte zu erzählen.“

Ibrahim Yetim, Präsident des AWO Kreisverbandes Wesel, hier mit Moderatorin Bilgenur Zaman, erzählte in seiner Ansprache von seinen eigenen Erfahrungen als Kind einer Gastarbeiterfamilie.
Ibrahim Yetim, Präsident des AWO Kreisverbandes Wesel, hier mit Moderatorin Bilgenur Zaman, erzählte in seiner Ansprache von seinen eigenen Erfahrungen als Kind einer Gastarbeiterfamilie.

Michael Groß zeigte sich tief bewegt von den vielen Schicksalen: „Ich möchte Ihnen allen heute Abend meinen Respekt und meine Dankbarkeit aussprechen, dafür, dass Sie sich damals auf einen Lebensweg gemacht haben, der nicht vorhersehbar war.“ Als ein wirtschaftsstarkes Land müsse man aber nicht nur Menschen aus dem Ausland zu uns lassen, wenn wir sie bräuchten, sondern vor allem, damit wir von ihnen lernen können. Auch Ibrahim Yetim zeigte sich zutiefst bewegt und erzählte von seiner eigenen Kindheit in Deutschland, von seinen Eltern, die eigentlich nur kurze Zeit hier bleiben wollten, aber als dann die Familie wuchs, sich entschieden hatten in Deutschland zu bleiben. „Die Zukunft kann man eben nicht planen“, so Yetim.

Im zweiten Teil des Kulturabends, der von Asiye Koc und ihrer AWO-Kollegin Bilgenur Zaman zweisprachig moderiert wurde, lasen Prof. Dr. Gaby Herchert aus dem Buch „Ich bin auf einem langen Weg“ und der preisgekrönte Autor Feridun Zaimoglu aus seinem Buch „Namenloser Freund“ im Wechsel vor. Es waren die detailliert dargestellten Einzelschicksale und erlebten Geschichten, die viele der anwesenden Gäste nachdenklich machten, aber auch zum Schmunzeln anregten. Feridun Zaimoglu: „Diese Geschichten haben mich inspiriert, mein Buch dazu zu schreiben. Ich bekam die gut bearbeiteten fertigen Transkripte von Asiye und Olga zur Verfügung gestellt. Ich wollte das völlig Absurde, Abwegige mit einer guten Portion schrägem, schwarzem Humor darstellen.“ Das scheint mit Kapitelnamen wie „Die Kunst auf deutsche Art Kaugummi zu kauen“ auch gelungen.

Prof. Dr. Gaby Herchert und Autor Feridun Zaimoglu lasen im Wechsel aus beiden Büchern vor.
Prof. Dr. Gaby Herchert und Autor Feridun Zaimoglu lasen im Wechsel aus beiden Büchern vor.

Im Anschluss an die Lesungen gab es Raum für eine Diskussion und Austausch. „Mir hat alles gut gefallen. Besonders berührt hat es mich, weil alles fühlbar authentisch war. Es kamen viele Erinnerungen bei mir hoch“, resümierte ein Gast. „Danke für alles!“ Auch Jan Dieren brachte es in seiner Ansprache auf den Punkt: „Alle Schwierigkeiten haben Sie dank ihrer Entschlossenheit und ihrem Glauben überwunden. Danke. Sie sind die Helden heute Abend!“

Nach gut vier Stunden ging ein vielseitig gestalteter Abend zu Ende. Türkisch-kurdische Klänge von Gürsoy Tanc und Umut Piera ließen die Veranstaltung ausklingen. Und auch kulinarische Köstlichkeiten, zubereitet von Frauen der DITIB-Gemeinde Kamp-Lintfort, sorgten für einen angenehmen Abend. Die Interviewpartner*innen bekamen beide Bücher als besonderes Dankeschön geschenkt.

Die großformatigen sehenswerten Bilder werden noch etwa zwei Wochen im Saal des Schirrhofs während der Öffnungszeiten zu sehen sein. Die Bücher mit einer Auflage von jeweils 200 Exemplaren „Ich bin auf einem langen Weg“ und “Namenloser Freund” sind bei Asiye Koc zu erwerben, Kontakt unter a.koc@awo-kv-wesel.de. Herausgeber ist der AWO Kreisverband Wesel.

Die Veranstaltung wurde vom AWO Kreisverband e.V. in Kooperation mit dem Verein Kulturprojekte Niederrhein, der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition Linker Niederrhein e.V. und der Stadt Kamp-Lintfort durchgeführt. Die Projekte wurden durch die Lotterie Glücksspirale, die Fachstelle für Demokratie der Stadt Moers  sowie durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert. 

Bildunterschriften:

Ausstellung-1: Der große Saal im Schirrhof war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Resonanz war riesig.

Fotos: Scholtheis/Weinknecht/AWO

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