Moers
Wanderungen prägten Moers
Moers. (pst) Seit Tausenden von Jahren sind Menschen am Niederrhein unterwegs. Sie kommen und gehen, freiwillig und unfreiwillig. Die neue Sonderausstellung des Grafschafter Museums im Moerser Schloss „Völker. Wanderung. Menschen unterwegs“ beschäftigt sich mit der Wanderungsbewegung an den Niederrhein. Sie ist bis 22. Oktober zu sehen. Seit die ersten Menschen unsere Region durchstreiften, beleuchtet die Ausstellung verschiedenen Wanderungsbewegungen an den Niederrhein, die durch historische Ereignisse, wie Kriege, Religionskonflikte oder die Industrialisierung, hervorgerufen wurden. „Die Ausstellung beginnt mit der kleinen Inszenierung ‚Gründe nach Moers zu kommen‘: In einer Vitrine liegt ein Stück Steinkohle, ein einer anderen ein Mammutknochen. Die Kohle bewegte insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts Menschen nach Moers, Mammuts lockten den Neandertaler in die Region“, berichtet Museumsleiterin Diana Finkele. An mehreren Stellen lädt die Ausstellung die Besuchenden ein, ihre eigenen Zuwanderungsgeschichte zu erzählen: Jeder kann in der Ausstellung von sich selbst ein Interview aufnehmen und an mehreren Stellen stehen leere Kisten bereit, Exponate der Ausstellungsbesucher aufzunehmen.
Erste Moerser waren Afrikaner
Die ersten Menschen, die am Niederrhein unterwegs waren, kamen aus Afrika. Sie entwickelten sich zum Neandertaler weiter, waren aber noch nicht sesshaft. Als „zweite Einwanderungswelle“ aus Afrika kam der Homo sapiens zu uns, der sich parallel zum Neandertaler entwickelt hat. Die Ausstellung beleuchtet sowohl kurze „Besuche“ als auch nachhaltige Wanderungsbewegungen. Die Römer brachten Mitte des 1. Jahrhunderts die erste Hochkultur an den Niederrhein: ein Staatssystem, wirtschaftliches Geschick und Kunsthandwerk. Auch in die Landwirtschaft und Viehzucht brachten sie ihre Kenntnisse ein. Auch Menschen jüdischen Glaubens, Spanier und Oranier hinterließen hier sichtbare Spuren. Im 16. und 17. Jahrhundert kamen viele Glaubensflüchtlinge an den Niederrhein: calvinistische Exulanten ließen sich bevorzugt in Wesel nieder, Mennoniten in Krefeld. In beiden Städten bewirkten die Zugewanderten einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Keine Annährung gab es zwischen den Moersern und den belgischen Besatzungstruppen nach dem Ersten Weltkrieg. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachte besonders der Bergbau Menschen aus verschiedenen Regionen nach Moers und an den Niederrhein. „1913 stammten 38 Prozent der Arbeiter auf der Zeche Rheinpreußen aus dem Ausland“, erläutert Diana Finkele.
Geflüchtete gaben Interviews
Unfreiwillig kamen Zwangsarbeiter in den Weltkriegen nach Moers. Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchteten Tausende an den Niederrhein, in Moers beispielsweise machten sie 17 Prozent der Bevölkerung aus. Die Ausstellung geht auch auf die Zuwanderung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute ein. Zu der ganz aktuellen Flüchtlingssituation hat die vhs Moers – Kamp-Lintfort einen eigenen Ausstellungsteil beigesteuert. Geflüchtete haben im Frühjahr 2016 in einem Kunstprojekt ihre Fluchterfahrungen in einer Installation aus Treibgut verarbeitet. „Uns war es wichtig, nicht mit der Bewältigung des Traumas zu warten, bis die Menschen ihre Deutschkurse absolviert haben“, erläutert Heike Wrede von der vhs, die das Projekt gemeinsam mit Andreas Baschek durchgeführt hat. Für die Ausstellung kamen Fotos, Handyfilme der Flucht und Tonmaterial hinzu. Die Journalistin Monika Hanewinkel hat Interviews mit den Geflüchteten geführt: „Es war schwierig für die Menschen, persönliche Dinge zu erzählen. Manchmal habe ich mir gedacht, was muss ein Mensch aushalten?“ Beispielsweise wurde eine junge Frau aus Eritrea in Tripolis von Schleusern zur Prostitution gezwungen. Die Interviews kann man sich an einer Station anhören. Die Portraits stammen von der Fotografin Andrea Zmrzlak. Die Macherinnen sind sehr dankbar, dass die den Geflüchteten die Mut und die Kraft aufgebrachten haben, teilzunehmen.
Infobox:
Zur Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm mit Lesungen, Vorträgen, Führungen und Theateraufführungen. Alle Termine und Eintrittspreise sind in dem Flyer zur Ausstellung oder auf www.grafschafter-museum.de nachzulesen.