Nischenanbieter Reha Media macht Menschen mit Behinderung kommunikationsfähig
18-köpfiges Spezialisten-Team ermöglicht selbstbestimmtes Leben durch digitale Konzepte
Duisburg. Gamal Halaga, in seiner Kindheit mit seinen Eltern von Schleswig Holstein nach Kanada ausgewandert, ist überzeugter Wahl-Duisburger. Die Liebe und die Arbeit waren es, die ihn hier haben „ankern“ lassen. „Ein Glück für Duisburg und die 18 Experten, die bei der Reha Media GmbH Digitalisierung und Sprache verbinden, so dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben können“, zeigt sich Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link beim Vor-Ort-Termin in der Wirtschaftsdialog-Reihe begeistert. Und Ralf Meurer, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg, ergänzt: „Immer wieder erlebe ich im Gespräch mit Unternehmensakteuren, insbesondere aus kleinen und mittleren Betrieben, Berührungsängste mit dem Bereich Digitalisierung. Reha Media ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass die neue Technik eben nicht nur Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch Vorteile und den Abbau von Widrigkeiten generieren kann.“
Das Format führte Oberbürgermeister und Wirtschaftsförderer diesmal nach Duisburg-Neudorf, wo die Reha Media GmbH elektronische Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung entwickelt und vertreibt. „Zu unserer Zielgruppe gehören Ärzte, Therapeuten, medizinische Fachangestellte, Sonderpädagogen, Fachkräfte in der öffentlichen Verwaltung – insbesondere in Sozialämtern – und bei Krankenkassen. „Diese machen ihre Patienten dann auf uns und die von uns angebotenen digitalen Kommunikationskonzepte aufmerksam. Wer bei uns auf diesem Weg Kunde wird, dem können wir helfen, dank neuester Computertechnik ohne eigene Stimme zu kommunizieren, sei es erstmals oder wieder. Wer sich auf diese Weise mitteilen kann, hat so die Chance am Leben teilzunehmen und am Alltag teilzuhaben. Eine Schule zu besuchen, zu lernen, einen Abschluss zu machen. Eine Ausbildung, ein Studium. Er oder sie können so selbstbestimmt Beruf und Privatleben meistern. Ohne Isolation, mittendrin in der Gesellschaft“, weiß Unternehmer Halaga. Der Ingenieur für Elektrotechnik mit Aufbaustudium in Betriebswirtschaftslehre konkretisiert: „Ein Computer mit Augensteuerungstechnologie ist Technik, die Sinn stiftet: Dieser ermöglicht es Menschen mit einschlägiger Behinderung beispielsweise sich ausdrücken, die Heizung zu regulieren und die Jalousien zu steuern.“
Und genau so gestaltet sich der Alltag von Andreas Pennings, der mittlerweile ein so genanntes „inkomplettes Locked-in-Syndrom“ hat. Das bedeutet, dass er körperlich fast vollständig gelähmt ist und sich weder sprachlich noch mittels Bewegung verständlich machen kann. Mit Hilfe der augengesteuerten Kommunikationshilfe sowie vieler weiterer High Tech-Gerätschaften meistert er die alltäglichen Herausforderungen im Privatleben, selbstständig und proaktiv. „Hätte ich vor Jahrzehnten mit dieser Krankheit leben müssen, so wäre meine Biographie eine völlig andere geworden. Heute wohne ich vollkommen eigenständig mit diversen Hilfen für die Pflege, den Haushalt und die Nahrungszubereitung. Früher wäre es wohl auf eine Heimunterbringung hinausgelaufen, bei der man weder gefördert noch gefordert worden wäre. Hilfsmittel wie die von Reha Media sind daher ein wahrer Segen für Menschen wie mich“, teilt sich Pennings mit und weist dabei noch einmal nachdrücklich darauf hin, dass er auch das Glück hatte, eine Therapeutin zu haben, die die Nischenprodukte von Reha Media kennt und ihn darauf aufmerksam gemacht hat.
„Zwar ist der Markt insgesamt, und damit auch die Zahl der Mitbewerber, im Vergleich zu anderen Branchen übersichtlich, doch wächst der Bedarf an solchen Produkten, wie wir sie vertreiben immer mehr – erst recht vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft“, weiß Prokuristin Gisela Tübée, die quasi seit Gründung der Reha Media GmbH mit von der Partie ist. Um den steigenden Bedarf bedienen zu können, hat sich das Unternehmen sukzessive vergrößert. „18 Mitarbeiter sind es heute, Tendenz steigend – und allesamt sehr gut ausgebildete Fachkräfte: klinische Linguisten mit fachspezifischen Masterabschlüssen, Heilpädagogen mit dem Schwerpunkt „Unterstützte Kommunikation“, Ergotherapeuten, Rehabilitationspädagogen und Diplom-Pädagogen“, erklärt Alexander Bokelmann. Der Vertriebsleiter von Reha Media blickt voller Optimismus auf die Zukunft des Unternehmens: „Wir haben mit unserer Homebase in Duisburg und Dependancen in Bremen, Köln, Mainz, Freiburg und München ein gutes Vertriebsnetz und freuen uns auf unser 25-Firmenjubiläum im Jahr 2019.“
In all den Jahren sammelt sich dann auch die eine oder andere Anekdote an. Beispielsweise die über einen Mitarbeiter einer Krankenkasse aus Bayern, der im Vertriebsgespräch entschieden den Kauf von Kommunikationshilfen mit Kölner Vokabular ablehnte – in dem Glauben, es handele sich um die Mundart der Menschen in der Domstadt. Weit gefehlt: Das „Kölner Vokabular“ ist der Kernwortschatz von 200 bis 300 Wörtern – darunter erstaunlich viele Füllwörter und wenige Substantive – die der Mensch als Basis nutzt, um sich auszudrücken. Weil dies das Forschungs- und Beratungszentrum für unterstützte Kommunikation der Universität zu Köln empirisch herausgefunden hat, wurden die daraus folgenden Kommunikationsmaterialien in der Fachwelt umgangssprachlich auch Kölner Vokabular genannt. „MyCore®“ ist eine symbolbasierte Kommunikationshilfe. Neben Piktogrammen zu Gefühlen, Kommentaren, Menschen, Essen & Trinken, Zeit, Jahr, Feiern werden auch die Bereiche Kita/Schule, Freizeit, Sport, Spiel und Musik sowie aktuelle Jugendsprache abgebildet. „Wow“, „boah“, „krass“ oder „super“ sowie diverse Schimpfworte lassen sich eben auch mittels digitaler Lösungen übersetzen. Schließlich will Reha Media stimmlosen Menschen jeden Alters eine starke digitale Sprache geben.
Bildzeile:
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (1. v.r.) und GFW-Geschäftsführer Ralf Meurer (2. v.r.) im Wirtschaftsdialog bei der Reha Media GmbH mit Gamal Halaga (Geschäftsführer), Gisela Tübée (Prokuristin und Büroleitung), Alexander Bokelmann (Vertriebsleiter) und Andreas Pennings (Anwender „Augensteuerungstechnologie“); Urheberin: Jacqueline Wardeski, Wardeski Photography, Nutzungsrechte: Reha Media GmbH