Wirtschaft

Die wirtschaftliche und geopolitische Bedeutung des Zangezur-Korridors für Europa: Analyse und Perspektiven

Die wirtschaftliche und geopolitische Bedeutung des Zangezur-Korridors für Europa: Analyse und Perspektiven


Der Zangezur-Korridor stellt eine bedeutende neue Transport- und Logistikachse dar, die Europa zusätzliche wirtschaftliche und geopolitische Chancen eröffnet. Seine Realisierung dient der Diversifizierung bestehender Logistikrouten zwischen Europa und Asien und trägt gleichzeitig zur Stärkung der Resilienz globaler Lieferketten bei. Als integraler Bestandteil des Mittleren Korridors (Middle Corridor) passt der Zangezur-Korridor direkt in die „Global Gateway“-Strategie der Europäischen Union, die darauf abzielt, nachhaltige Verkehrs-, Energie- und digitale Infrastrukturen mit Partnerregionen wie Zentralasien und dem Kaspischen Raum zu entwickeln.


Infrastrukturelle Ausgangslage und Logistikpotenzial

Der Zangezur-Korridor schließt an wichtige vorhandene und modernisierte Verkehrsinfrastrukturen an: die Eisenbahnstrecke Baku–Tiflis–Kars, den Internationalen Handelshafen Baku und die Bahnlinie Horadiz–Agbend. Diese Infrastrukturprojekte sind bereits weit fortgeschritten oder in der Endphase der Umsetzung.


Der Hafen von Baku verfügt aktuell über eine Umschlagskapazität von etwa 15 Millionen Tonnen jährlich, mit Plänen zur Erweiterung auf bis zu 25 Millionen Tonnen. Die Kapazität der Bahnstrecke Baku–Tiflis–Kars wird durch Modernisierungen von derzeit etwa 5 Millionen Tonnen jährlich auf künftig bis zu 18 Millionen Tonnen erhöht. Die Route über den Zangezur-Korridor verkürzt die Transportstrecke zwischen Asien und Europa um rund 343 Kilometer. Dies ermöglicht deutliche Kosteneinsparungen von geschätzten 20–30 Prozent sowie eine Verkürzung der Transportdauer von derzeit etwa 35–40 Tagen auf nur 20–25 Tage.


Handelsströme und wirtschaftliche Potenziale
Der Mittlere Korridor verzeichnet stark wachsendes Transportaufkommen. 2023 wurden rund 6 Millionen Tonnen transportiert; Prognosen zufolge könnte diese Menge bis 2030 auf 11 Millionen Tonnen steigen. Der Zangezur-Korridor eröffnet Europa eine attraktive Alternative zum Suezkanal und zu traditionellen Routen über andere Regionen. Er verkürzt die Transitzeiten, ermöglicht günstigere Frachtraten und reduziert Risiken in den globalen Lieferketten.


Schätzungen zufolge könnte die Nutzung des Zangezur-Korridors für Europa ein zusätzliches Handelsvolumen von 50 bis 100 Milliarden US-Dollar generieren. Zugleich entsteht wirtschaftlicher Nutzen für Unternehmen der Transport- und Logistikbranche sowie für die Entwicklung neuer intermodaler Umschlagpunkte entlang der Route.


Geopolitische Relevanz und strategische Vorteil

Über seine ökonomische Bedeutung hinaus hat der Zangezur-Korridor geopolitische Implikationen. Er stärkt die Vernetzung zwischen Europa, dem Kaukasus, Zentralasien und China und ermöglicht es der Europäischen Union, ihre Handels- und Transportverbindungen unabhängiger und resilienter zu gestalten.

Gleichzeitig gewinnt die Türkei als logistische Drehscheibe für Warenströme zwischen Asien und Europa erheblich an Bedeutung. Dies wird die verkehrspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei weiter vertiefen. Die EU unterstützt diese Entwicklung durch Investitionszusagen und technische Kooperationen. Bis 2030 sind Investitionen von mehr als 10 Milliarden Euro für den Ausbau des Mittleren Korridors und des Zangezur-Korridors vorgesehen.


Energie- und Nachhaltigkeitsperspektiven
Auch für den Energiesektor eröffnet der Zangezur-Korridor neue Möglichkeiten. Er bietet Potenzial als ergänzende Route für den Export aserbaidschanischer Energieressourcen nach Europa und könnte künftig für den Transport erneuerbarer Energien genutzt werden.
Die geplante Entwicklung von Solar- und Windkraftkapazitäten in Regionen wie Karabach und Ost-Zangezur unterstreicht diese Perspektive. Eine entsprechende Energieinfrastruktur entlang des Korridors würde die Ziele der EU im Bereich der Klimaneutralität und nachhaltigen Versorgung unterstützen.


Zukunftsausblick
Prognosen zufolge könnte der Zangezur-Korridor langfristig bis zu 20 Prozent des Frachtaufkommens zwischen Europa und China übernehmen. Die weitere Entwicklung multimodaler Logistikknoten entlang der Route wird die Versorgungssicherheit und Effizienz für europäische Märkte erheblich verbessern.
Bis 2030 wird der wirtschaftliche Nutzen des Korridors nicht nur in Form zusätzlicher Handelsvolumina, sondern auch durch reduzierte Kosten, kürzere Transportzeiten und neue Investitionsmöglichkeiten sichtbar werden.


Fazit
Der Zangezur-Korridor bietet Europa nicht nur eine zusätzliche Transportverbindung, sondern ist auch ein Instrument zur Stärkung wirtschaftlicher Resilienz und geopolitischer Unabhängigkeit. Er erleichtert den Zugang zu den Märkten Zentralasiens und Chinas, eröffnet neue Handelsströme, trägt zur Diversifizierung der Versorgungswege bei und reduziert Transportkosten erheblich.
Mit seiner Integration in die Infrastruktur- und Energiepolitik der EU könnte der Zangezur-Korridor zu einer der Schlüsselachsen für Europas wirtschaftliche und geopolitische Zukunft werden.

Quelle:Zaur Aliyev

Foto:Symbolbild

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