Eine wichtige Debatte
Bei der Diskussion zur Krankenhausreform in Moers gab es viel Input – einige Fragen blieben aber noch offen
Moers. „Auswirkungen der Krankenhausreform – Chancen, Perspektiven und offene Fragen für den Kreis Wesel und die Region” – unter diesem Titel diskutierten Fachleute, Krankenhausvertreter und Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen im ENNI-Sportpark mit dem stellvertretenden gesundheitspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Christos Pantazis, über eine der komplexesten und am heißesten diskutieren Fragestellungen der aktuellen Politik.
Zu der Fachdiskussion hatten die SPD-Fraktionen aus Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn, der SPD-Bundestagsabgeordnete Jan Dieren sowie der SGK Kreis Wesel eingeladen.
Jan Dieren und René Schneider in seiner Eigenschaft als SPD-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter hoben zum Auftakt die Bedeutung der Reform und der Diskussion dazu hervor. Dieren sprach im Kontext mit der Finanzierung der Krankenhäuser von einem „drängenden Thema“ und verglich die bevorstehende Reform mit einer „Operation am offenen Herzen.“ Schneider hob hervor, wie wichtig der Erhalt der Krankenhauslandschaft im Kreis Wesel sei.
Der Fraktionsvorsitzende der Moerser SPD, Atilla Cikoglu, machte deutlich, dass die Reform der Krankenhausfinanzierung “einem Dschungel” gleiche, bei dem man leicht den Durchblick verliere. „Dort brennt der Baum”, machte er auf die brisante Situation aufmerksam. Die Verantwortlichen aus den Krankenhäusern hätten Angst um die Zukunft ihrer Häuser. „Und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs:“
Zugleich stellte er klar: „Natürlich sprechen wir in den Kommunen über Standorte bei der Frage der Krankenhausreform. Denn wir wollen gute medizinische Qualität wohnortnah, und wir wollen nach Möglichkeit natürlich auch alle Arbeitsplätze erhalten.”
Die Verantwortlichen aus den Krankenhäusern hätten im Vorfeld deutlich gemacht. „Berlin hört uns nicht.” Deshalb habe man Pantazis an den Niederrhein geholt, um den Akteuren die Möglichkeiten zu geben, eigene Anregungen, Anliegen, Kritik und Lösungsansätze vorzu-tragen.
Christos Pantazis stellte dann in einem gut 20-minütigen Vortrag die Grundzüge der Reform vor, die das Ziel verfolge, wieder den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen und die Behandlungsqualität über Pauschalhonorare zum Maßstab zu machen, anstatt die Anzahl der Behandlungen allein zu honorieren.
Er räumte ein, dass aktuell eine „wahrhaft katastrophale Krankenhaus-Situation“ bestehe, vor allem die Versorgungslage in den ländlichen Regionen mit Personalengpässen und fehlenden Betten schwierig sei, während es in den großen Städten teilweise eine Überversorgung gibt.
Qualitätssicherung und Erhalt der Versorgung in der Fläche
Pantazis stellte klar, dass es um Qualitätssicherung bei der Reform gehe, auch um den Erhalt der Flächenversorgung. Sie bedeute aber auch, dass es Häuser geben werde, die in dem System nicht mehr weiter bestehen werden, nannte er auch konkrete Beispiele der Zusammenlegung von Häusern aus dem Raum Niedersachsen. Ein unkontrolliertes Krankenhaussterben solle es aber nicht geben, das sei auch ein Ziel der Reform – und der 50 Milliarden Euro aus dem sogenannten Transformationsfonds. Die Frage, welche Krankenhäuser in Zukunft – auch im Kreis Wesel – weiter bestehen bleiben, konnten weder Pantazis noch die Anwesenden beantworten.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete räumte auch Fehler im Verfahren ein. Jetzt gebe es die Gelegenheit, mit allen Akteuren darüber ins Gespräch zu kommen, nachdem die Fachebene stark damit beschäftigt gewesen sei. Man warte jetzt auf den Referentenentwurf.
Das Krankenhausreformgesetz soll am 24. April im Bundeskabinett verabschiedet werden und wird dann den Diskussionsprozess im Parlament durchlaufen. „Noch keine Reform hat das Parlament so verlassen, wie sie hineingekommen ist“, zitierte Pantazis den früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Jan Dieren ergänzte später, das könne noch Monate dauern.
Letztendlich sei die Planung der Krankenhauslandschaft die Aufgabe der einzelnen Bundesländer, so Pantazis. Der Prozess der Umstellung auf Bewertung und Qualität werde Jahre brauchen. Man könne „so einen großen Tanker” wie das Krankenhauswesen nicht so schnell umsteuern.
Der Finanzrahmen und die Idee der Reform muss klar sein
In der anschließend von Andrea Franken souverän moderierten Diskussion wurde zum einen deutlich, dass die Krankenhäuser – vertreten durch Ralf H. Nennhaus, dem Regionaldirektor GFO Kliniken Niederrhein und Dr. Ralf Engels, Vorstand der Stiftung Krankenhaus Bethanien Moers – vor einer Reform erstmal die finanzielle Unterfütterung der Kliniken für sinnvoll erachten. Kritik äußerte insbesondere Engels an dem Kliniktransparenzgesetz.
Man wolle auch die Stoßrichtung und Idee der Reform deutlicher herausgearbeitet sehen, verschließe sich aber nicht grundsätzlich einer Reform, so der Tenor beider Klinikchefs. Die Frage nach einem möglichen Zusammengehen beider Häuser wurde verneint. Beide beschrieben aber sehr konkret die Probleme, die mit der Spezialisierung der Häuser einhergehen. Die Zuhörer brachten unter anderem den Aspekt Bürokratie und Dokumentationspflicht, die junge Mitarbeiter zu tragen hätten, mit ein.
Dr. Reinhard Spicker, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein im Kreis Wesel, wies auf die schon jetzt bestehenden Probleme des Belegarztsystems und der Versorgung im ländlichen Raum hin. Und für die Patienten machte Horst Vöge als Vorsitzender des VdK NRW und Vizepräsidenten des VdK Deutschland klar, dass man in dieser Debatte dieser Gruppe deutlich mehr Gehör verschaffen müsse.
Fazit: Die verantwortlichen Vertreter der Krankenhäuser, der Kassenärzte, der Patienten und der Krankenhaus-Mitarbeiter aus dem Kreis Wesel konnten Pantazis mehrere kritische Gedanken und Anregungen für die weitere Ausgestaltung der Reform mit auf den Weg geben. Der Moerser SPD-Fraktionsvorsitzende Atilla Cikoglu unterstrich, dass man den Reformprozess weiter eng mit den Krankenhäusern vor Ort begleiten werde.