Veranstaltung

moers festival präsentiert Programm für Pfingsten 2024 // Jazzfestival für Musik, BeSinnung, Politik und Superheldinnen 

Moers. Pfingsten 2024. Die Erde scheint aus den Fugen, die Klüfte werden größer, die Gletscher kleiner, die Rechten stärker und die Stimmen der Vernunft schwächer. Die Welt wird überrannt von Schurken, die in Politik, Waffenindustrie und im Mainstream einen Nährboden für einfache Antworten geschaffen haben. Und wir alle haben diesen einen Onkel, neben dem man bei Familienfeiern nicht mehr sitzen mag.

HYSH! Da erheben sich aus einer Wortsuspension Superheldinnen, die mit individuellen Superkräften aus Moers das Böse bekämpfen. Mit japanischen Kotos etwa erzeugen sie Klänge, die die Kraft haben, Faschistinnen, Machtmissbrauchende und sonstige Rohlinge zurückzudrängen und mit namibischen Klicklauten wehren sie rhetorische Giftpfeile ab und lenken diese zurück in den braunen Sumpf. So, oder so ähnlich jedenfalls, lässt sich das diesjährige moers festival, das vom 17. – 20. Mai stattfinden wird, beschreiben. An und für sich nix Weltbewegendes. Im Rahmen eines Pressegesprächs stellten die Festivalmachenden das Programm sowie das diesjährige Plakatmotiv vor. 

MUSIK

Zum 53. Mal findet vom 17.-20. Mai 2024 (Pfingstwochenende) eine Art Großfamilientreffen statt, dessen Teilnehmende Musik hören, die sich am ehesten irgendwo zwischen Avantgarde, zeitgenössischer Improvisation und „unklassifizierbar“ einsortieren lässt – wenn überhaupt. Auf den Festivalbühnen (in der enni.eventhalle, am Rodelberg und auf der „Annex“ und im gesamten Stadtgebiet) entsteht eine Laborsituation, in der experimentiert wird. Hier treten acts miteinander auf, die sich vorher nicht einmal kannten, Uraufführungen werden präsentiert, Trends gesetzt. Nix für dich? Vielleicht. Gefallen wollte moers noch nie und scheitern ist erlaubt. Im Labor treffen sich 2024 unter anderem: Die US-Harfenistin Zeena Parkins, die schon sieben Mal in Moers aufgetreten ist und zwischen Improvisation und Klang forscht, der südafrikanische Ausnahmepianist Nduduzo Makhathini, der zahlreiche Preise gewonnen hat und nicht zuletzt durch ein Residenz-Programm in Basel in Europa große Berühmtheit erlangte, der deutsche Posaunist Konrad „Conny“ Bauer, DDR-Freejazzer der ersten Stunde, Amirtha Kidambi‘s Elder Ones aus den USA, die sich mit den Themen Macht, Unterdrückung, Kapitalismus, Kolonialismus, weiße Überlegenheit und Gewalt auseinandersetzt sowie Antumbra, dahinter stecken Elias Stemeseder und Christian Lillinger, die der SWR als „zwei der eigenwilligsten Stimmen in der europäischen Jazzlandschaft“ bezeichnet.

Zwei Länder werden besonders in den Fokus gerückt: Namibia und Japan. Zu Namibia präsentieren die Festivalmachenden eine Art Kaleidoskop, eine exemplarische Auswahl von artists, deren Werke als Klassik oder Pop beschrieben werden können, aus dem Land, das durch seine Kolonialgeschichte eng mit Deutschland verbunden ist. Der Japan-Schwerpunkt knüpft an eine langjährige Freundschaft des moers festivals zur dortigen Improvisationsszene an. Nun wird Japan offiziell Gastland, nach drei Corona-Jahren, die von Reisebeschränkungen geprägt waren. Darüber hinaus kommen Musikerinnen und Musiker aus: Australien, Belgien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Israel, Italien, Japan, Korea, Kuba, Namibia, Niederlande, Österreich, Portugal, Russland, Schweiz, Südafrika, Uganda, USA.

BeSinnung

Das moers festival, das aus der 68er-Bewegung heraus entstanden und sich seiner Wurzeln sehr bewusst ist, ist mehr als abgedrehte Musik und Trommelkreise im Freien. Es ist, „gefälligst ein Lebensgefühl“! Bei der Pressekonferenz im März gibt der Künstlerische Leiter Tim Isfort einen Vorgeschmack auf das Pfingstwochenende. Nix Berauschendes erwarte sein Publikum, so behauptet er, während das Festivalbüro, die Kreativschmiede, in der Ideen entstehen, nach Kirschblüten duftet. Dann präsentiert sein Team ein Plakat, das im Cartoon-Style daherkommt, und auf dem der geneigte Betrachtende jede Menge Schurken erkennen kann, die die Welt zu überrennen drohen, doch ihnen gegenüber stehen artists aus aller Welt, die sich Pfingsten ´24 in moers treffen werden, um zumindest für vier Tage das Böse zurückdrängen. Mit diesem Plakat kann man sich stundenlang beschäftigen, raten und natürlich auch diskutieren. Nicht nur olfaktorisch, grafisch und musikalisch wollen Isfort und sein Team die Gäste erreichen. „In einer Zeit, da die Schere überall weiter auseinander geht, politisch, gesellschaftlich und finanziell, dürfen wir nicht verlernen, miteinander zu reden, versöhnlich zu sein, und dabei klare Haltung zu zeigen,“ so Isfort. Dafür sorge eine fiktive Person, die in diesem Jahr 99 Jahre alt würde, die mit klugen, politischen und manchmal kabarettistischen Aussagen immer wieder auftaucht, und eventuell nicht allein der Phantasie entsprungen ist, sondern dem echten Leben entlehnt sei. Warum die Person immer auf einem weißen Schiff daher kommt, verrät Isfort nicht, hofft aber, dass alle Besucherinnen und Besucher das folgende Gefühl in die Zeit danach mitnehmen:

„und alle reden und trinken
essen und denken
nach Herzenslust und Gelüsten
mit Ausnahme der Faschisten.“

POLITIK 

Seit drei Jahren rückt das Festivalteam ein Land des afrikanischen Kontinentes in den Fokus. Das diesjährige Schwerpunktland Namibia ist nicht nur mit mehreren musikalischen Projekten vertreten. Nach Gesprächen mit den Kuratoren Ainoo Mongo (Nam) und Thorsten Schütte (DE) zeigen wir bewegende Exponate des Archivierungs- und Ausstellungsprojekts „Stolen Moments: Namibian Music History Untold“. Dieses erzählt die Geschichte der namibischen Pop-Musik der 50er bis 80er Jahre, die vom südafrikanischen Apartheidregime zensiert und unmöglich gemacht wurde. Komplettiert wird die Ausstellung mit einem Konzert Songs aus dieser Zeit, deren Arrangements in Workshops in den letzten Jahren in deutsch-namibischer Zusammenarbeit entstanden sind. Außerdem vergibt moers ein Auftragswerk an Eslon Hindundu, Schöpfer und Dirigent der ersten namibischen Oper, die sich mit dem Völkermord an den Herero und den Nama auseinandergesetzt hat. Überhaupt, der Völkermord! Wer weiß eigentlich etwas darüber? Wie wird in Schulen in Deutschland darüber gesprochen, wie in Namibia? Bei den discussions kommen diese und andere Fragen aufs Tableau. Es darf unbequem werden.

1904 erhoben sich die Herero und Nama gegen die deutschen Besatzer. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen und endete im ersten Genozid des 20. Jahrhunderts.120 Jahre später bringen deutsche Festivalmachende eine Delegation von neun Frauen und Männern der Ju/‘Hoansi nach Deutschland. Als Untergruppe der San zählen sie zu einem der ältesten Völker der Welt. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass ihre Ahnen bereits vor mindestens 20 000 Jahren als Jäger und Sammler durch den Süden Afrikas zogen. Die Gruppe wird in moers in verschiedenen Konstellationen mit internationalen Improvisationsmusikerinnen auftreten.

SUPERHELDINNEN

Nix Weltbewegendes? „Wir ziehen die Leute rein und kicken sie wieder raus,“ kündigt Leticia Carrera an. Die 18-Jährige leitet gemeinsam mit Lukas Döhler das Projekt „Captain Niederrhein im Rausch des Unimoersums“, bei dem am Pfingstsonntag junge Talente auf der großen Bühne stehen, die den Niederrhein ihr zu Hause nennen, und ihre Interpretation von Superhelden präsentieren. Geprobt und spontan, von allen Seiten beschallend, überraschend und natürlich unter Mitwirkung der ganz Großen. Carrera weiß, wovon sie redet, als Teilnehmerin hat sie mehrfach auf der Bühne gestanden, jetzt will sie ihre Begeisterung an die nächste Generation weitergeben und ist überzeugt, dass in moers neue Perspektiven eröffnet werden können.

moers festival

Ein Jazzfestival also für Musik, Besinnung, Politik, Superheldinnen und: Zusammensein? Wer da findet, dass früher im Park aber mehr Lametta war, ist herzlich eingeladen. Der Raum zwischen enni.eventhalle, Rodelberg und dem Gymnasium Filder Benden wird durch das längste Festivaldorf der Welt verbunden – hier gibt es nicht nur Köstlichkeiten zu entdecken, sondern hochwertige, fair-gehandelte und nachhaltige Händlerinnenwaren und hübschen Schnickschnack. Ganz anders das moersland: Die vierte Bühne des moers festivals entführt in die Virtuelle Realität. Dort und „wo die wilden Kinder wohnen“, nämlich auf der Kreativwiese für Kids, können sich junge und ältere Besucherinnen und Besucher in zahlreichen Workshops ausprobieren. Der Rest der kleinsten Großstadt ist an Pfingsten ebenfalls „moersifiziert“: An zahlreichen Orten im Stadtgebiet finden Aktionen und Konzerte statt, manchmal geplant, immer spannend. Wer Samstagabend noch nicht genug Musik gehört hat, wird im Bollwerk107 fündig: Dort sorgen Istanbul Ghetto Club, DJ Scotch Egg und Gwyn Wurst bis in die frühen Morgenstunden für Stimmung.

Alle Superheldinnen, die am Pfingstwochenende 2024 in moers auftreten, werden auf www.moers-festival.de/programm bekannt gegeben. Tickets für das ganze Wochenende kosten 159 Euro und ermäßigt 53 Euro. Es wird eine Tageskasse geben, darüber hinaus sind Tickets für einzelne Tage sowie VIP-Tickets verfügbar. Wer die Kulturpass-App hat, kann sich sein Ticket kostenlos sichern. Im Freibad „Solimare“ entsteht ein Campingplatz, Platz für Wohnmobile ist auch auf dem zugehörigen Stellplatz auf Nachfrage vorhanden sowie auf dem Parkplatz Krefelder Str. Wem Mobilität vor Ort wichtig ist, kann sich ein moersbike sichern. 

Damit sich alle auf dem Gelände wohl fühlen und einen sicheren Festivalbesuch genießen können, ist ein Awareness-Team im Einsatz. Für Menschen, die mobilitätseingeschränkt sind, hält das Team Lösungen vor, um die Wege bequem und sicher zurückzulegen.

Das moers festival wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, die Kunststiftung NRW sowie die Stadt Moers. Medienpartner sind WDR3 und die Kultur West. Das Internationale Besucherprogramm des KULTURsekretariat NRW ermöglicht den Besuch von acht internationalen Multiplikatoren. 

Regionale Sponsoren sind die enni, CAD Schroer, die Volksbank Niederrhein und der Initiativkreis Moers.  

Weiterhin unterstützen zahlreiche lokale Firmen und Kooperationspartnerinnen das Festival. 

Videoproduktion aus Moers
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