Polizei nimmt Problemgruppen ins Visier
Innenminister Reul: „Die wachsende Gewaltbereitschaft von Gruppen junger Männer nehmen wir sehr ernst“
Das Ministerium des Innern teilt mit:
Regelwidriges Gruppenverhalten wird ein neuer strategischer Schwer- punkt der nordrhein-westfälischen Polizei. Das hat Innenminister Herbert Reul am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt gege- ben. Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Münster, Markus Lewe, und dem Leitenden Polizeidirektor, Martin Fischer, erläuterte Reul das Phänomen regelwidrigen Gruppenverhaltens sowie Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Problemgruppen. Der Minister legte dafür einen neuen polizeilichen Handlungsrahmen vor. Fischer und Lewe präsentierten au- ßerdem die Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Stadt und Polizei- präsidium und die konkreten Pläne für Münster.
„Häufig tummeln sich die Krawallmacher auf Feiermeilen oder in Parks, wo sie Alkohol und Drogen konsumieren und dann gezielt Stress suchen. Diese wachsende Gewaltbereitschaft nehmen wir sehr ernst“, so Innenmi- nister Herbert Reul.
In den vergangenen zwei Jahren war es in zahlreichen nordrhein- westfälischen Städten und insbesondere an Wochenenden und Feierta- gen wiederholt zu Polizeieinsätzen gekommen. So haben in der Düssel- dorfer Altstadt im August 2021 rund 500 junge Menschen Rettungskräfte bedrängt und bei der Versorgung einer verletzten Person behindert. Ein weiteres Beispiel ist der Aachener Weiher in Köln: Dort haben feiernde Gruppen im August und September 2021 Polizisten und Polizistinnen mit Flaschen beworfen. Auffällig waren auch die Ausschreitungen im Juni 2021 am Aasee in Münster. Hier bewarfen junge Menschen die Einsatz- kräfte mit Flaschen und leisteten Widerstand, als die Polizei das Gelände räumte.
„Wir haben einige Hundert, teilweise mit Messern und Schlagwerkzeugen bewaffnete junge Männer festgestellt, die sich in kurzer Zeit unter die bis dahin friedlich Feiernden gemischt haben und gezielt auf Gewalt aus wa- ren. Nur mit einem massiven Polizeiaufgebot konnte eine Eskalation ver- hindert werden“, so der Leitende Polizeidirektor Martin Fischer. „Diese Er- fahrung hat uns gezeigt, dass wir gewaltbereite Gruppen von Anfang an fernhalten müssen, um alle friedlichen Gäste und die Anwohnerschaft zu schützen. Den meisten Erfolg verspricht dabei eine enge Abstimmung von polizeilichen und kommunalen Maßnahmen, um es Störern möglichst un- gemütlich zu machen.“
Um dem Problem zu begegnen, hat die Polizei die Gruppen zunächst ana- lysiert und festgestellt, dass es sich meistens um männliche Jugendliche und Männer unter 30 Jahren handelt – sowohl mit als auch ohne Migrati- onshintergrund. Oft kommt es zu verbalen oder körperlichen Auseinander- setzungen zwischen den Feiernden, nicht selten werden Einsatzkräfte at- tackiert; manchmal auch unter Einsatz von Messern oder anderen Waffen. Zuletzt wurden an den Karnevalstagen in der Düsseldorfer Altstadt vier junge Männer niedergestochen und teils lebensgefährlich verletzt.
Bei Messer-Attacken lag der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger 2021 bei 42,6 Prozent; deutlich überproportional.
Auch bei Treffen der Tuner- und Raser-Szene kommt es des Öfteren zu großen Menschenansammlungen. Ein weiteres Beispiel für gewaltbereite und gewaltsuchende Gruppen sind Hooligans. Vor, während und nach Fußballspielen sind Ausschreitungen keine Seltenheit. Besonders akut
und besorgniserregend ist die kriminelle Entwicklung bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern, die zum Feiern und Randalieren in die Innenstädte kommen.
„Dieses relativ neue Phänomen des regelwidrigen Gruppenverhaltens werden wir von nun an mithilfe des Handlungsrahmens gezielt bekämpfen. Wir setzen hier einen neuen strategischen Schwerpunkt“, so Innenminister Reul.
Um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu erhöhen, soll es einen proakti- ven, vernetzten, nachhaltigen, repressiven und präventiven Maßnahmen- Mix geben. Unter anderem soll die Polizei stärker mit anderen Behörden zusammenarbeiten: So wird es mehr Austausch mit Jugendämtern sowie Streetworkern und Streetworkerinnen geben; auch soll der Bezirksdient öfter einbezogen werden, etwa bei der Bewertung der Lage in ihrem Quar- tier. Bereits Ende vergangenen Jahres wurden in Köln und Düsseldorf Waffenverbotszonen eingerichtet. In diesen Zonen kann die Polizei Per- sonen ohne konkreten Verdacht durchsuchen und Waffen und Messer mit einer feststehenden oder feststellbaren Klingenlänge von mehr als vier Zentimetern beschlagnahmen. Des Weiteren sollen unter anderem Platz- verweise, verstärkte Videobeobachtung und Beleuchtungskonzepte krimi- nellem Verhalten vorbeugen.
Kontrollen sollen direktionsübergreifend geplant und durchgeführt werden etwa im Bereich der strategischen Fahndung; heißt: Wenn die Polizei Per- sonen anhält, befragt, ihre Identität feststellt und sie durchsucht, stimmen sich die Polizisten vor Ort noch intensiver als bislang mit anderen Direkti- onen und Behörden ab. Auch sollen insgesamt mehr Polizeikräfte eingesetzt werden, um auf gewaltbereite Gruppen reagieren zu können. Je nach Anlass können beispielsweise Kräfte der Bereitschaftspolizei zur Unterstützung hinzugezogen werden. Wiederholungstäter will die Polizei mittels Intensivtäterkonzepten gezielt ins Visier nehmen: Da Mehrfachtäter
überproportional viele Straf- und Gewalttaten begehen, sollen täterbezo- gene Informationen bei einer spezialisierten Dienststelle gebündelt werden.
Oberbürgermeister Markus Lewe: „Insbesondere wenn sich Gruppen re- gelwidrig verhalten, ist es erforderlich, überbehördlich und schnell zu rea- gieren. Polizei und Stadt Münster arbeiten hier Hand in Hand zusammen. Vom präventiven Glasverbot für bestimmte Bereiche, über gemeinsame Kontrollen, bis hin zu Platzverweisen, stimmen sich unsere Behörden eng miteinander ab. Aber wir haben auch festgestellt, dass die Maßnahmen nicht mit dem Einsatz der Polizei- und Ordnungskräfte enden. Für das Si- cherheitsgefühl der Bevölkerung ist genauso erforderlich, dass weitere Maßnahmen, wie die Reinigung des Platzes, schnell durchgeführt werden. Daher wurden auch das Amt für Grünflächen, Umwelt und Nachhaltigkeit und die Abfallwirtschaftsbetriebe der Stadt Münster in die Zusammenar- beit mit der Polizei eingebunden.“
„All diese Maßnahmen sollen helfen, die Straßen, Plätze und Parks wieder sicherer zu machen. Wir müssen dringend verhindern, dass für Anwohne- rinnen und Anwohner Angsträume entstehen. Die jungen Leute meinen, sie sind innerhalb ihrer Gruppe total anonym und können deshalb nicht für ihre Taten belangt werden. Deshalb müssen wir konsequent gegen ge- waltbereite und kriminelle Gruppen vorgehen, Präsenz zeigen und insbe- sondere präventive Maßnahmen anwenden, damit es am besten gar nicht erst zu Straftaten kommt“, sagte Reul.
Kurzinformation zum Handlungsrahmen
„Regelwidriges Gruppenverhalten“
Zielgruppe
- Männliche Jugendliche/Heranwachsende an öffentlichen Plätzen, in Parks und auf „Feiermeilen“
- Angehörige der Tuner-, Raser- und Poser-Szene
- Gewaltbereite und gewaltsuchende Gruppen wie bspw. Hooligans
Informationsgewinnung und Aufklärung
Präventive Maßnahmen
- Einrichtung von Waffenverbotszonen
- Abstimmung von Alkohol- bzw. Glasverboten mit der jeweiligen Kommune
- Platzverweise
- Gefährderansprachen
- Aufenthaltsverbote gem. § 34 Abs. 2 Polizeigesetz NRW
- Meldeauflagen
- (verstärkte mobile) Videobeobachtung
- Beleuchtungskonzepte
Präsenz- und Kontrollmaßnahmen
- Planung und Durchführung abgestimmter direktionsübergreifender Aktivitäten (z. B. strategische Fahndung)
- Durchführung von Kontrollmaßnahmen unter Einbeziehung von Sicherheitspartnern, insbesondere Ordnungs-, Jugend- und Ausländerämter
- Anlassbezogener, verstärkter Kräfteansatz in Bezug auf erkannte gruppenbezogene Aktivitäten, ggf. unter Einbeziehung geschlossener Einheiten
- Konsequentes Tragen und Nutzen von Bodycams
- Frühzeitiger Einsatz von Kommunikationskräften zur Deeskalation
- Einbindung des Bezirksdienstes in seiner Rolle als polizeilicher Ansprechpartner im Quartier
Ermittlungen und Strafverfolgung
- Konzentrierte Bearbeitung von Verfahren gegen entsprechende Personengruppen
- Konsequente Anwendung von Intensivtäterkonzepten sowie Maßnahmen der Verfahrensbeschleunigung („Beschleunigtes Verfahren“)
Netzwerkarbeit
- Verdichten von behördenübergreifenden Besprechungen zur Stärkung der Zusammenarbeit und des Informationsaustausches mit Netzwerkpartnern
- Verfahrensabsprachen mit den Staatsanwaltschaften, ggf. Verfahrenskonzentration, Schwerpunktstaatsanwälte
Öffentlichkeitsarbeit
- Offensive Öffentlichkeitsarbeit unter Einbeziehung von Netzwerkpartnern als Komponente, um in der Öffentlichkeit die Rolle der Polizei und das polizeiliche Handeln sowie das der Netzwerkpartner nachvollziehbar darzustellen
- Kernbotschaften: die Anonymität in den relevanten Gruppen schützt nicht vor konsequenten und zielgerichteten polizeilichen Maßnahmen
Foto: Symbolbild