Mädchen an die Werkbank
Auch 2018 blieben laut DIHK in rund jedem dritten Betrieb Ausbildungsplätze unbesetzt. Gleichzeitig geht die geschlechterspezifische Berufswahl zurück. Eine Chance für die duale Ausbildung, findet der Unternehmerverband.
Mädchen werden Informatikerin, Ingenieurin und Mechatronikerin, Jungen werden Altenpfleger oder zahnmedizinischer Fachangestellter – verkehrte Welt? Tatsächlich wandelt sich, langsam aber sicher, die geschlechterspezifische Berufswahl, wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) analysiert hat. Mit Blick auf die nach wie vor schwierige Besetzung von Ausbildungsstellen eine Chance für die duale Ausbildung, sagt Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes: „32 Prozent der Ausbildungsstellen blieben 2018 unbesetzt. Das sind für junge Menschen und die Betriebe viel zu viele verpasste Möglichkeiten.“ Eine fundierte Ausbildung biete hervorragende berufliche Perspektiven. „Wichtig dabei ist, dass junge Leute ihren Neigungen und Stärken folgen. Damit sie einen Beruf finden und erlernen, der ihnen langfristig Freude bereitet. Wenn die alten Muster ‚typischer‘ Männer- oder Frauenberufe dabei aufbrechen, dann bietet das für die Ausbildung im Wettbewerb mit dem Studium neue Perspektiven.“
Neben der Aufgeschlossenheit und dem Selbstbewusstsein der heutigen Berufsstarter-Generation fruchten damit aber wohl auch die vielfältigen Maßnahmen der Berufsorientierung, die Schüler aller Schulformen heute schon ab Klasse 8 erleben. „Wir haben Berufsfelderkundungen, Praktika, unseren eigenen InfoTruck der Metall- und Elektroindustrie sowie auch Aktionen wie Erlebnis Maschinenbau oder etwa den Girls‘ und Boys’ Days, bei denen bundesweit Berufe neutral vorgestellt werden“, erläutert Schmitz. Viele Mitgliedsfirmen des Unternehmerverbandes beteiligen sich daran. „Wir hören oft, dass es gut ist, wenn Mädchen in der Lehrwerkstatt von produzierenden Unternehmen arbeiten. Das motiviert nicht nur die Jungen zu besseren Leistungen, sondern es geht insgesamt weniger rau zu, was dem Betriebsklima zugutekommt.“
Der Unternehmerverband begrüßt, dass Mädchen verstärkt technische Berufe wählen – wie auch die seit Jahren stetig steigenden Zahlen von Studentinnen in MINT-Fächern belegen, sowohl bei den Erstsemestern als auch bei den Absolventinnen. „Mit der Wahl einer dualen Ausbildung in einem technischen Beruf entscheiden sich Mädchen für gute Gehaltsperspektiven, Aufstiegschancen und auch die Möglichkeit, den Job später mit der Familie zu vereinbaren – was natürlich auch für Männer gilt“, betont Wolfgang Schmitz mit Blick auf die guten Arbeitsbedingungen in der Metall- und Elektroindustrie, deren Tarifverträge der Unternehmerverband mitaushandelt.
Dass aber längst nicht alle Klischees überwunden sind, zeigt die aktuelle Statistik des Landesamtes IT.NRW: Über die Hälfe der Mädchen und rund 40 Prozent der Jungen verteilen sich auf die jeweils zehn beliebtesten Ausbildungsberufe. So sind im dualen Ausbildungssystem die Bürokauffrau und der Kfz-Mechatroniker nach wie vor die Spitzenreiter. „Da greifen die alten Rollenbilder nach wie vor – deshalb brauchen wir noch mehr Information und Aufklärung“, sagt Schmitz. Instrumente seien beispielsweise eine umfassende Berufsorientierung durch Institutionen und Verbände, die Fokussierung auch auf unbekannte Berufe und kleinere Unternehmen als solide Ausbildungsbetriebe. „Die Firmen sind aber auch selbst gefordert. Sie müssen für ihre Ausbildungskompetenz werben und die jungen Menschen dort abholen, wo diese sich informieren, etwa über Social Media.“
Bildunterschrift: Mädchen für technische Berufe begeistern – das ist auch Ziel von Aktionen wie „Abenteuer Unternehmen“: Im Bild Schülerinnen und Schüler, die unter Anleitung von Azubis bei dem Federnhersteller Pieron in Bocholt Schlüsselanhänger aus Metall herstellen. (Foto: Middelkamp)