Abgeordnete von SPD, Grünen, Linken und SSW wollen Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen
Interfraktionelle Gruppe reicht im Gruppenantragsverfahren Gesetzentwurf zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen und Antrag zur Verbesserung der Versorgungslage ungewollt Schwangerer im Deutschen Bundestag ein
Partei- und fraktionsübergreifend haben heute 236 Abgeordnete zwei Gruppenanträge bei der Präsidentin des Deutschen Bundestags, Bärbel Bas (SPD), eingereicht, um noch in dieser Legislaturperiode über die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Deutschen Bundestag zu beraten. Die Abgeordneten stellen dabei fest, dass die gegenwärtige Rechtslage eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie der Schwangeren darstelle.
Carmen Wegge (SPD):
„Die aktuelle Rechtslage berücksichtigt das Selbstbestimmungsrecht von Frauen nicht ausreichend. Die Regelung im Strafrecht bringt zum Ausdruck, dass ein selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch Unrecht ist. Das halten wir für nicht vereinbar mit den Grundrechten der Schwangeren. Aus unserer Sicht sollte die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht weiter im Strafrecht geregelt sein, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz.
Zur selbstbestimmten Entscheidung der Frau als auch für den Schutz des ungeborenen Lebens brauchen wir bessere und wirksamere Maßnahmen als das Strafrecht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir das Selbstbestimmungsrecht der Frau und den Schutz des ungeborenen Lebens deutlich besser in Einklang bringen und der Stigmatisierung betroffener Frauen sowie Ärztinnen und Ärzte einen Riegel vorschieben.“
Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen):
Dieser Antrag ist ein Meilenstein für die Selbstbestimmung von Frauen. Wir wollen die Versorgungslage von ungewollt schwangeren Frauen in Deutschland verbessern. Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, hat sich – auch aufgrund der Stigmatisierung – innerhalb der letzten 20 Jahre fast halbiert. In Regionen wie Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist eine wohnortnahe medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Das wollen wir durch die Entkriminalisierung Schwangerer und durch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen konkret ändern.
Dass wir jetzt gemeinsam diesen Gesetzentwurf einbringen, haben wir den zahlreichen Frauen und Aktivist*innen zu verdanken, die sich seit Jahrzehnten für das Recht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung einsetzen. Die unabhängige Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung hat eine wesentliche Grundlage für unsere Entwürfe geliefert.
Die große Mehrheit der Bevölkerung ist für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs. Nun liegt es an jeder und jedem einzelnen Abgeordneten, den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen ins Auge zu blicken und sich für eine zeitgemäße Regelung zum Schwangerschaftsabbruch einzusetzen. Lassen Sie uns diese Chance gemeinsam ergreifen.
Konkret beinhaltet der Gesetzentwurf:
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Schwangerschaftsabbrüche werden nicht länger im Strafgesetzbuch, sondern neu im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt
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In der Frühphase der Schwangerschaft (d.h. bis zur 12. Woche nach Empfängnis) ist der mit Einwilligung der Schwangeren durch Ärztinnen und Ärzte nach Beratung vorgenommene Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig.
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Die gesetzliche Beratungspflicht bleibt bestehen, die Wartezeit von drei Tagen entfällt. Die Schwangere bleibt immer straffrei.
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Die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch werden im Rahmen der Gesundheitsversorgung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Allen Antragssteller*innen ist wichtig, dass der Schutz des ungeborenen Lebens sowie das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden.
Factsheet zum Gruppenantrag „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung
des Schwangerschaftsabbruchs“ & Antrag „Versorgungslage ungewollt Schwangerer verbessern“
Kernbotschaften des Gesetzentwurfs:
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Schwangerschaftsabbrüche werden nicht länger im Strafgesetzbuch, sondern neu im Schwanger-schaftskonfliktgesetz geregelt
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In der Frühphase der Schwangerschaft (d.h. bis zur 12. Woche nach Empfängnis) ist der mit Ein-willigung der Schwangeren durch Ärztinnen und Ärzte nach Beratung vorgenommene Schwan-gerschaftsabbruch rechtmäßig.
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Die gesetzliche Beratungspflicht bleibt bestehen, die Wartezeit von drei Tagen entfällt. Die Schwangere bleibt immer straffrei.
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Die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch werden im Rahmen der Gesundheitsversorgung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat in diesem Jahr ihren un-abhängigen, wissenschaftlichen Abschlussbericht u.a. zum gesellschaftlich breit diskutierten Thema des Schwangerschaftsabbruchs vorgelegt. Aus diesem leiten wir zwei zentrale Punkte ab:
1.
Der Schutz des ungeborenen Lebens ist unser Auftrag.
2.
Die gegenwärtige Rechtslage stellt eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie Schwangerer dar.
Wichtig ist, dass sämtliche grundrechtlichen Positionen hier in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Aus diesem Grund legen wir einen Entwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vor.
Zentrale Regelungen im Gesetzentwurf:
a)
Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen für schwangere Frauen
Die Zulassungsvoraussetzungen zur Durchführung eines rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs werden nicht länger im Strafgesetzbuch, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt. Im Strafgesetzbuch ist eine Vorschrift zum Schutz der Schwangeren in Leben und körperlicher Unversehrtheit und reproduktiver Ge-sundheit als „Schwangerschaftsabbruch gegen oder ohne den Willen der Schwangeren“, § 218 StGB-neu, vor-gesehen. Sie dient dem Schutz sowohl des Embryos/Fetus als auch der Selbstbestimmung der gewollt Schwan-geren und stellt sicher, dass der Staat der Schwangeren die Erfüllung seiner staatlichen Schutzpflicht zum Schutz des Embryos bzw. Fetus nicht alleine überlässt, sondern hier gerade der Schwangeren zur Seite steht.
Die Schwangere erhält im ersten Trimenon der Schwangerschaft einen weitgehend barrierefreien Zugang zum Abbruch einer Schwangerschaft. Grundlage sind ihre Rechte auf Selbstbestimmung, Leben und körperliche Un-versehrtheit sowie auf den Schutz ihrer Intimsphäre.
Die Vornahme eines nunmehr rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs auf Verlangen wird kombiniert mit einer gesetzlich bestimmten Beratungspflicht und begrenzt bis zur abgeschlossenen zwölften Woche nach Emp-fängnis. Damit wird wie bisher sichergestellt, dass alle Schwangeren von Beratung erreicht werden. Die dreitä-gige Wartefrist entfällt – nach den Empfehlungen der WHO.
WICHTIG:
- In der Frühphase der Schwangerschaft (bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche nach Empfängnis) ist der durch Ärztinnen und Ärzte nach Beratung vorgenommene Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos. Eine Beratungspflicht bleibt bestehen, die Wartefrist entfällt. Im weiteren Verlauf der Schwanger-schaft bleibt der Schwangerschaftsabbruch lediglich bei entsprechender medizinischer oder kriminologi-scher Indikation rechtmäßig. Die Schwangere bleibt immer straffrei.
- Neuregelung des §218 StGB (Ersetzung §218 StGB durch §218 StGB-neu):
Es bedarf weiter strafrechtlicher Regelungen zum Schutz Schwangerer vor nicht selbstbestimmten Schwanger-schaftsabbrüchen, Schwangerschaftsabbrüche gegen oder ohne ihren Willen. Diese Sachverhalte sind im Kern-strafrecht unter dem neu gefassten § 218 StGB-neu geregelt. Zur umfassenden Sicherstellung der Freiheit zur Willensbildung der Schwangeren werden sowohl die Nötigung, einen Abbruch zu unterlassen als auch die Nö-tigung zu einem Abbruch, sowie Abbrüche, die ohne oder gegen ihren Willen stattfinden, unter strafrechtlichen Schutz gestellt.
Wer einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, obwohl die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit nicht vor-liegen, kann weiterhin bestraft werden.
© Foto: Elias Keilhauer